In der Sakristei von St. Nikolai hängt eine ca. 50 cm große, hölzerne Figur mit einem Adler. Es ist Johannes der Evangelist, der ursprünglich an der Kanzel zusammen mit den anderen drei Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas zu sehen war. Aber als die Kanzel bei einer der Renovierungen an die Südwand der Kirche gerückt wurde, war für Johannes kein Platz mehr. Er wurde in der Sakristei aufgehängt, wo ihn leider kaum einer mehr sieht.
Dabei ist Johannes einer der ganz Großen des Neuen Testamentes. Neben Paulus werden die meisten Schriften des NT Johannes zugeordnet, nämlich sein Evangelium, drei Briefe und die Offenbarung. Mit diesen Schriften prägte er die Theologie besonders im Griechischen Raum und später in der Orthodoxen Kirche.
Auch das im Jahr 325 formulierte Nizänische Glaubensbekenntnis basiert auf seiner Theologie, die das Wort und den Geist Christi in den Mittelpunkt stellte. Sein wohl bekannteste Wort steht im Johannes 1,1:
„Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort… Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“
Mit diesem Wort umschreibt Johannes das Wesen von Jesus Christus.
Die Kirchenväter wie Irenäus, Hieronymos und Augustinus sahen in Johannes den geistigen Überflieger, der wie ein Adler die Theologie des Christentums prägte, gemäß der Offenbarung 4,6: „Und in der Mitte, rings um den Thron Gottes, waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten. Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler.“
Bei Ihrem nächsten Besuch in der Kirche empfehle ich Ihnen einen Weg in die Sakristei; bewundern Sie dort die anmutige Holzfigur des Evangelisten Johannes.
Klaus Busch