Staureichstes Wochenende
Irgendwie scheinen wir da ein echtes Händchen für zu haben. Schon mehrfach haben wir in den letzten Jahren folgende Sommerferien-Situation erlebt:
Meist recht früh morgens geht es mit Kind und Kegel ins vollgepackte Auto Richtung Nor- den, Richtung Meer auf die Autobahn. Ab in Richtung Urlaub. Und kaum ist man losgefahren, hat das Radio eingeschaltet, heißt es in den Verkehrsnach- richten:
„Der ADAC prognostiziert für heute das stau- reichste Wochenende des Jahres.“
Was für ein Wort: „Staureichstes Wochenende.“ Und tatsächlich ist meist spätestens auf der A7 hinter Soltau oder vorm Elbtunnel in Hamburg darauf auch Verlass. Stau. Hitze. Und von der Rückbank ein schlecht gelauntes: „Wann sind wir da?“
Der deutsch-amerikanische Theologe Reinhold Niebuhr hat in seiner Gemeinde in der Industriestadt Detroit in den 1940er Jahren zum ersten Mal ein Gebet gespro- chen, das unter dem Titel „Das Gelassenheitsgebet“ eine riesige Karriere gemacht hat. Es lautet:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Was für ein Gebet! So einfach – und doch so tief. Ich weiß nicht, ob Reinhold Niebuhr beim Schreiben an stauende Autos dachte. Aber irgendwie passt es doch. Da sitzt man im Wagen, schwitzend, frustriert, mit dem Gefühl: Jetzt wollte ich doch endlich mal raus, zur Ruhe kommen, und dann das! Aber genau da hinein spricht dieses Gebet.
Gelassenheit für das, was ich nicht ändern kann – den Stau zum Beispiel, das Wetter, den vollen Rastplatz. Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann – vielleicht den Tonfall in meiner Antwort auf das nörgelnde Kind. Oder die Entscheidung, statt sich zu ärgern einfach gemeinsam ein Hörspiel anzumachen oder ein Pausen- picknick am Straßenrand zu genießen. Und die Weisheit, beides voneinander zu unterscheiden – das ist wohl die größte Kunst.
Jesus selbst lädt uns ein, zur Ruhe zu kommen – egal, wie hektisch es außen- rum ist. In Matthäus 11,28 spricht er:
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“
Der Sommer ist die Zeit, in der viele von uns Abstand suchen vom Alltag, vom vollen Terminkalender, vom inneren Getrieben-Sein. Wir sehnen uns nach einer Zeit zum Durchatmen – nach Erholung für Körper und Seele. Aber manchmal braucht es dazu weniger das perfekte Reiseziel oder die reibungslose Anfahrt, sondern eher ein gelassenes Herz.
Vielleicht kann dieses Gebet auch Ihr Urlaubsbegleiter sein – im Koffer, im Hand- schuhfach oder im Herzen. Es erinnert uns daran: Gelassenheit ist keine Frage des äußeren Komforts, sondern ein Geschenk Gottes, das uns hilft, den Moment zu nehmen, wie er ist – und inmitten all dessen zur Ruhe zu kommen.
Ich wünsche Ihnen und Euch in diesem Sommer Momente echter Erholung, be- wahrte Wege, viel Sonnenschein – und vor allem: Gottes gute Gelassenheit.
Herzliche Grüße,
Ihr Pastor Sebastian Müller